BAG: Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates durch die Duldung von Überstunden

Besondere Ausnahmefälle

Eine mitbestimmungspflichtige Duldung von Überstunden liegt nur vor, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber bestehen, um seine Untätigkeit als Hinnahme werten zu können.

BAG, Beschluss vom 28.07.2020 - 1 ABR 18/19

Sachverhalt

Im Betrieb der Arbeitgeberin war es in insgesamt drei Fällen zu zeitlichen Überschreitungen der in einer Betriebsvereinbarung festgelegten Schichtzeiten gekommen. Der Betriebsrat leitete ein Beschlussverfahren ein und forderte von der Arbeitgeberin die Unterlassung der Duldung bzw. der Entgegennahme der Ableistung von Überstunden, ohne dass hierüber eine Einigung mit dem Betriebsrat herbeigeführt oder die fehlende Einigung durch eine Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt worden wäre. In erster Instanz wurde der Antrag abgewiesen, die zweite Instanz gab ihm statt.

Entscheidung

Das BAG schloss sich der Einschätzung der ersten Instanz an, wies die Beschwerde des Betriebsrates zurück und verneinte damit einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Zur Begründung stellte das BAG darauf ab, dass an einem betriebsverfassungswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin fehle.

Zwar sei nicht nur die Anordnung, sondern ebenso die Duldung von Arbeitnehmern geleisteter Überstunden mitbestimmungspflichtig. Die vom Betriebsrat zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens dargelegten Anlassfälle reichten allerdings nicht aus, um die Annahme einer Duldung von Überstunden durch die Arbeitgeberin zu begründen. Dafür sei erforderlich, dass der Arbeitgeber in Kenntnis der Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer untätig bleibt und diese über einen längeren Zeitraum hinnimmt. So ein Duldungstatbestand sei bspw. erfüllt, wenn Monat für Monat eine Vielzahl von Arbeitnehmern immer wieder in erheblichem Maße Überarbeit leisten und der Arbeitgeber diese Überstunden entgegennimmt und bezahlt oder die betrieblich-organisatorischen Gründen bedingen, dass Arbeitnehmer häufig über das mitbestimmt festgelegte Schichtende hinaus arbeiten und diese Mehrarbeit angenommen und vergütet wird.

Es seien immer alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit, die einzelnen oder besonderen einmaligen Umständen geschuldet sind, sprächen für sich gesehen nicht dafür, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Es müsse hinreichende Anhaltspunkte für das Fehlen gebotener Gegenmaßnahmen durch den Arbeitgeber geben, um dessen Untätigkeit als ein Hinnehmen werten zu können.

Den vom Betriebsrat vorgetragenen Fällen fehle es jedenfalls an der erforderlichen Permanenz und Redundanz, um auf das Unterlassen gebotener Gegenmaßnahmen durch die Arbeitgeberin und eine Hinnahme von Überstunden schließen zu können.

Fazit

Das BAG hat Betriebsräten eine dahingehende Absage erteilt, aus wenigen, besonders gelagerten Ausnahmefällen bereits ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers herzuleiten. In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung betont das BAG weiterhin, dass sich eine mitbestimmungswidrige Duldung von Überstunden nur anhand aller Umstände des Einzelfalls bestimmen lasse und die Anforderungen an Arbeitgeber dabei nicht zu hoch gesetzt werden dürfen.


© Bild von Foto-Rabe auf Pixabay


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